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Die Erektile Dysfunktion beim Mann

Etwa 10–25 % der Männer in mittlerem und höherem Lebensalter sind von einer sexuellen Dysfunktion betroffen. Bei Frauen tritt diese Störung mit vergleichbarer Häufigkeit auf. Demografische Veränderungen, die Erfolge neuerer, insbesondere wirksamer medikamentöser Therapien und die erhöhte Wahrnehmung der sexuellen Dysfunktion durch die Patienten und in der Gesellschaft haben zu einer häufigeren Diagnosestellung und damit auch zu höheren Ausgaben im Gesundheitswesen für die Behandlung dieses häufigen Krankheitsbildes geführt. Da viele der Patienten eine Thematisierung ihrer sexuellen Funktion vermeiden, sollte der Arzt dieses Problem direkt ansprechen, um die Anamnese einer Sexualstörung erheben zu können.

Genaue Diagnose über Blutwerte bestimmen

Bevor man bei einer erektilen Dysfunktion an eine Therapie denkt, sollte zuerst eine Nachforschung für die mögliche Ursache durchgeführt werden. Hierzu dürfte der erste Ansprechpartner der Urologe des Vertrauens sein, der weitere Untersuchungen veranlassen wird. Auch gibt es urologische Polikliniken die entsprechende Beratungsstunden anbieten. Durch die Erhebung der Krankheitsgeschichte des Patienten wird herausgefunden, wie lange bereits das Problem besteht. Auch sind körperliche Untersuchungen zu empfehlen, die mit der Bestimmung der Blutwerte starten. Danach kann man evtl. zur Therapie kommen.

Sexuelle Dysfunktion beim Mann

PHYSIOLOGIE DER SEXUALFUNKTION BEIM MANN

Die normale männliche Sexualfunktion beinhaltet (1) eine intakte Libido, (2) die Fähigkeit, eine Erektion des Penis aufzubauen und aufrechtzuerhalten, (3) eine Ejakulation und (4) die Detumeszenz. Die Libido bezieht sich auf das sexuelle Verlangen und wird durch eine Vielzahl von visuellen, olfaktorischen, taktilen, auditiven, imaginativen und hormonellen Stimuli beeinflusst. Sexualhormone, insbesondere das Testosteron, wirken fördernd auf die Libido, während sie durch hormonelle und psychische Störungen sowie durch den Einfluss von Medikamenten beeinträchtigt werden kann.

Die penile Tumeszenz, die zur Erektion führt, ist von einer deutlich erhöhten Durchblutung der Schwellkörper abhängig, welche durch eine komplette Relaxation der Arterien und glatten Muskelzellen der Corpora cavernosa erreicht wird. Die Mikroarchitektur der Corpora besteht aus einem Geflecht von glatten Muskelzellen (Trabekel) und einem Netzwerk von Gefäßen (Lakunen), die mit Endothel ausgekleidet sind. Die zunehmende Kompression des anschwellenden Trabekelwerkes gegen die fibroelastische Tunica albuginea führt zu einem ventilartigen passiven Verschluss des subtunikal gelegenen, drainierenden Venengeflechts und somit zur kompletten Blutfülle der Corpora. Bei einer voll ausgebildeten Erektion mit dem beschriebenen kompetenten Ventilmechanismus werden die beiden Corpora cavernosa zu nicht komprimierbaren Zylindern, aus denen kein Blut mehr abfließen kann.

Das zentrale Nervensystem hat über stimulierende oder antagonisierende spinale Bahnen einen wichtigen Einfluss auf Erektion und Ejakulation. Die erektile Reaktion wird durch eine Kombination von zentralen (psychogenen) und peripheren (reflexogenen) Nervenimpulsen vermittelt. Sensible Nerven, die ihren Ursprung in der penilen Haut und der Glans penis haben, formieren sich zum Dorsalnerven des Penis, der im Nervus pudendus zur Hinterwurzel von S2 bis S4 zieht. Zum Penis ziehende parasympathische Nervenfasern entstammen der intermediolateralen Säule des sakralen Spinalsegments bei S2 bis S4. Die sympathische Innervation entspringt den Spinalsegmenten Th11 bis L2 und zieht durch den Plexus hypogastricus.

Beeinflussung der Schwellkörper

Die neuronale Beeinflussung der glatten Schwellkörpermuskulatur ist entscheidend für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer Erektion. Zudem besteht auch eine vielschichtige Interaktion zwischen den glatten Muskelzellen des Schwellkörpers und der sie umgebenden endothelialen Auskleidung (Abb. 67-1A). Stickoxid (NO) ist ein Mediator der Gefäßrelaxation und unterstützt somit den Erektionsvorgang, während Endothelin-1 (ET-1) einen entgegengesetzten Effekt hat, da es zur Kontraktion der Gefäßmuskulatur führt. Stickoxid wird durch die Stickoxidsynthetase aus L-Arginin synthetisiert und aus den autonomen nonadrenergen-noncholinergen (NANC) Nerven freigesetzt, um postjunktional an den glatten Muskelzellen zu wirken. Stickoxid erhöht die Produktion von zyklischem 3’,5’-Guanosinmonophosphat (cGMP), welches mit der Proteinkinase G interagiert, den intrazellulären Kalziumgehalt senkt und damit zur Relaxation der Muskelzelle führt (Abb. 67-2). cGMP wird von der Phosphodiesterase Typ 5 (PDE 5) abgebaut. PDE-5-Inhibitoren, wie das orale Medikament Sildenafil, erhalten über den reduzierten cGMP-Abbau eine Erektion aufrecht.

Fehlt die Produktion von Stickoxid durch einen vorgeschalteten Schritt, so bleibt die Zugabe eines PDE-5-Inhibitors ohne Effekt, da die oben beschriebene Kaskade nur unterstützt, aber nicht selbst initiiert werden kann. Neben Stickoxid werden auch gefäßaktive Prostaglandine (PGE1, PGE2α) im kavernösen Gewebe gebildet, die den Spiegel von cAMP erhöhen und ebenfalls zur Relaxation der kavernösen glatten Muskelzellen führen.

Gestörte Ejakulation

Die Ejakulation wird durch das sympathische Nervensystem gesteuert und resultiert aus einer Kontraktion von Nebenhoden, Samenleitern, Bläschendrüsen und Prostata, wodurch das Seminalsekret die hintere Harnröhre erreicht (Emission), sowie aus rhythmischen Kontraktionen der bulbospongiösen und ischiokavernösen Muskeln, die zur eigentlichen Ejakulation führen. Ein vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio preacox) kann durch Angstzustände oder angelernte Verhaltensmuster bedingt sein und ist einer Verhaltenstherapie oder einer Medikation mit einem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zugänglich. Eine retrograde Ejakulation tritt auf, wenn der innere Blasensphinkter nicht reflektorisch bei der Ejakulation schließt oder der Colliculus seminalis verletzt ist, wie es nach operativen Eingriffen am Blasenhals auftreten kann. Ähnliche Symptome treten auch bei schwerem Diabetes mellitus oder anderen Durchblutungsstörungen auf.

Das Stadium der Detumeszenz wird durch Noradrenalin aus den sympathischen Nerven, Endothelin aus den Gefäßendothelien und letztlich durch eine Kontraktion der glatten Schwellkörpermuskulatur eingeleitet, ausgelöst durch die Aktivierung postsynaptischer α-adrenerger Rezeptoren. Diese Abläufe erhöhen den venösen Blutausstrom und stellen den erschlafften Zustand des Schwellkörpers wieder her. Ein venöses Leck kann einen frühzeitigen Erektionsabfall bewirken und ist dabei eher auf eine ungenügende glattmuskuläre Relaxation zurückzuführen als auf einen spezifischen anatomischen Defekt. Als Priapismus bezeichnet man eine anhaltende und schmerzhafte Erektion, die beispielsweise im Rahmen einer Sichelzellanämie, einer hyperkoagulativen Gerinnungsstörung, einer Rückenmarkverletzung oder als so genannte prolongierte Erektion nach Injektion von vasoaktiven Substanzen in den Schwellkörper auftreten kann.

Erektile Dysfunktion

Epidemiologie

Eine erektile Dysfunktion ist nicht als obligater Bestandteil des Alterungsprozesses zu betrachten; allerdings ist sie mit einigen physiologischen und psychologischen Veränderungen assoziiert, die ihrerseits mit dem Altern verbunden sind. In der Massachusetts-Male-AgingStudie (MMAS), einer Bevölkerungsstudie an Männern zwischen 40 und 70 Jahren, gaben 52 % der Befragten eine Form der erektilen Dysfunktion an. Eine komplette oder schwere erektile Dysfunktion fand sich bei 10 %, eine moderate oder mittelgradige erektile Dysfunktion bei 25 % und eine minimale oder leichte erektile Dysfunktion bei 17 % der Männer. Die Inzidenz der schweren und mittelgradigen erektilen Dysfunktion verdoppelte sich dabei nahezu von der Altersstufe der 40- Jährigen zu den 70-Jährigen.

Im National Health and Social Life Survey (NHSLS), einer Stichprobe von Männern und Frauen im Alter von 18–59 Jahren, gaben 10 % der Männer eine Unfähigkeit zum Aufrechterhalten einer Erektion an, was mit den Angaben einer schweren erektilen Dysfunktion bei den Männern in der MMAS korrespondiert. Die Inzidenz war am höchsten in der Altersgruppe von 50–59 Jahren (21 %), bei armen (14 %) und geschiedenen Männern (14 %) sowie bei denen mit schlechterer Schulbildung (13 %).

Zudem ist die Inzidenz der erektilen Dysfunktion bei Männern mit bestimmten Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Herzerkrankung, Hypertonus sowie bei Krankheiten mit einer allgemeinen systemischen Entzündung (z. B. rheumatoide Arthritis) erhöht. Kardiovaskuläre Erkrankungen und die erektile Dysfunktion haben dieselbe Ätiologie und Pathophysiologie (z. B. endotheliale Dysfunktion), und der Schweregrad der erektilen Dysfunktion scheint mit dem Schweregrad der kardiovaskulären Erkrankungen zu korrelieren. Daher kann eine erektile Dysfunktion ein Hinweis auf eine noch nicht manifeste kardiovaskuläre Erkrankung sein.

Nikotinabusus ist ein signifikanter Risikofaktor für die Ausbildung einer erektilen Dysfunktion. Medikamente, die zur Behandlung eines Diabetes oder einer kardiovaskulären Erkrankung eingenommen werden, können einen zusätzlichen Risikofaktor darstellen (siehe unten). Außerdem besteht eine erhöhte Inzidenz der erektilen Dysfunktion bei Männern, die einer Bestrahlung oder Operation eines Prostatakarzinoms oder einem anderen beckenchirurgischen Eingriff unterzogen wurden oder eine Rückenmarkverletzung erlitten haben. Als psychologische Ursachen einer erektilen Dysfunktion kommen Depressionen, Ärger oder psychischer Stress (z. B. durch Arbeitslosigkeit) infrage.

Pathophysiologie

Eine erektile Dysfunktion kann durch drei verschiedene Mechanismen entstehen: (1) fehlende Einleitung des Erektionsvorganges (psychogen, endokrin oder neurogen); (2) unzureichende Blutfüllung der Corpora cavernosa (arteriogen) oder (3) inadäquate Speicherung des Blutes in den Lakunen der Corpora, bedingt durch einen zu schnellen Abfluss (venös oder venookklusiv). Diese Mechanismen schließen sich dabei nicht aus, und bei vielen Patienten liegen mehrere ätiologische Faktoren gleichzeitig vor. Beispielsweise kann ein fehlender arterieller Füllungsdruck indirekt zu einem venösen Leck führen. Psychogene Aspekte sind mit großer Häufigkeit koexistent und sollten bei allen Patienten in Betracht gezogen werden. Diabetes, Arteriosklerose und Medikamentennebenwirkungen spielen bei mehr als 80 % der älteren Patienten eine Rolle.

Vaskuläre Ursachen der erektilen Dysfunktion

Die häufigste organische Ursache einer erektilen Dysfunktion ist die Störung des Ein- oder Ausstroms von Blut in die Schwellkörper des Penis. Atherosklerotische oder traumatische Veränderungen der Arterien können den arteriellen Einstrom in die kavernösen Lakunen vermindern und zu einer verminderten Rigidität oder einer verlängerten Dauer bis zum Erreichen einer vollen Erektion führen. Ein exzessiver Blutabfluss über die drainierenden Venen führt trotz intakter arterieller Zufuhr ebenfalls zu einer erektilen Dysfunktion. Strukturelle Störungen der fibroelastischen Komponenten des Corpus cavernosum können über eine reduzierte Dehnbarkeit des Netzwerkes zur ungenügenden Kompression der subtunikalen Venen führen. Dieser Zustand kann Folge von Alterungsprozessen im Gewebe, einer gesteigerten Vernetzung von Kollagenfasern durch eine nicht enzymatische Glykosylierung, von einer Gewebehypoxie oder von einer gestörten Kollagensynthese im Rahmen einer Hypercholesterinämie sein.

Neurogene Ursachen der erektilen Dysfunktion

Schädigungen, die das Sakralmark oder die zum Penis ziehenden autonomen Nerven betreffen, schließen eine nerval kontrollierte Relaxation der glatten Schwellkörpermuskulatur aus und führen so zu einer erektilen Dysfunktion. Bei Patienten mit Rückenmarkverletzungen hängt der Schweregrad der erektilen Dysfunktion von der Vollständigkeit und Höhenlokalisation der Läsion ab. Patienten mit einer inkompletten oder hohen Verletzung des Rückenmarks verfügen eher über eine erhaltene Erektionsfähigkeit als solche mit einem kompletten Querschnitt oder einer Läsion der unteren Rückenmarkabschnitte. Obwohl bei 75 % der Patienten mit einer Rückenmarkverletzung eine gewisse Erektionsfähigkeit erhalten bleibt, reicht diese nur bei 25 % für eine vaginale Penetration aus. Andere neurologische Störungen, die häufig mit einer erektilen Dysfunktion einhergehen, sind die multiple Sklerose und periphere Neuropathien.

Letztere sind häufig auf einen Diabetes oder Alkoholabusus zurückzuführen. Chirurgische Eingriffe im kleinen Becken können durch eine Durchtrennung der autonomen Nervenversorgung zu einer erektilen Dysfunktion führen.

Endokrine Ursachen der erektilen Dysfunktion

Zwar erhöhen Androgene die Libido, ihre exakte Rolle bei der erektilen Funktion ist jedoch unklar. Personen mit einem Testosteronspiegel auf Kastrationsniveau können zwar oft weiterhin Erektionen durch visuelle oder sexuelle Stimulationen erreichen, auf der anderen Seite scheinen normale Androgenspiegel jedoch vor allem bei älteren Männern für die Erektionsfähigkeit wichtig zu sein. Eine Substitutionstherapie mit Androgenen zur Behandlung einer Erektionsstörung ist nur sinnvoll, wenn diese auch mit einem nachweisbaren Hypogonadismus einhergeht, nicht aber, wenn der endogene Androgenspiegel im Normbereich ist. Ein erhöhtes Serumprolaktin führt über eine Suppression des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) zu einer Senkung der Libido sowie des Testosteronspiegels. Eine Behandlung der Prolaktinämie mit Dopaminagonisten kann sowohl die Libido als auch den Testosteronhaushalt wiederherstellen.

Diabetische Ursachen der erektilen Dysfunktion

Eine Erektionsstörung tritt bei 35–75 % der Patienten mit Diabetes mellitus auf. Die Pathomechanismen sind hierbei vor allem durch die Diabetes-assoziierten vaskulären und neurologischen Komplikationen bedingt. Während die makroangiopathischen Komplikationen vorwiegend mit höherem Lebensalter zunehmen, korrelieren die Folgen der Mikroangiopathie mit der Dauer des Diabetes und der Einstellung des Blutzuckers. Diabetiker weisen zudem einen reduzierten Gehalt an Stickoxidsynthetase im endothelialen und neuronalen Gewebe auf.